In Vitry le Francois ging es durch eine Engstelle und eine Schleuse in den canal entre Champagne et Bourgogne. Der Kanal hiess früher canal de la Marne a la Saone. Es ist ein 224 km langer Kanal mit 114 Schleusen und einem 4,8 km langen Tunnel am höchsten Punkt (über 300 m). Es war im Rückblick der schwierigste Teil der Kanalfahrten in Frankreich, da ich mehrmals nur wenige cm Wasser unter dem Kiel hatte, und der enorme Pflanzenbewuchs die Fahrt beinahe beendet hätte. Schon in Vitry zeigte der Echolot an einer Stelle nur noch wenige cm unter dem Kiel an. Aber es kann sein daß ich da die Mitte des Kanals etwas verliess, auf der Suche nach einem Halteplatz.




Dieser Kanal überquert die Wasserscheide zwischen dem Norden und Süden. Der Tag der Wasserscheide wird aufregend werden, genauso wie das Überqueren des 50. Breitengrades und später des 45, Hälfte zwischen Äquator und Nordpol. Ab dem Tunnel wird es nur noch nach unten gehen, zum Fluss Saone.
Am ersten Tag heute kam mir ein kleines Boot entgegen, ansonsten war hier (Mitte Juni 2021) fast kein Schiffsverkehr, und ich verstand später warum. Die Schiffahrtsverwaltung VNF bemüht sich ganz offensichtlich den Bootstourismus zu fördern. Aber bei der Einfahrt in Vitry wurde ich von den VNF-Leuten doch sehr mitleidig und warnend angeguckt.
Das Pflanzenwachstum nahm einige Kilometer südlich von Vitry stark zu. Man muss nun exakt in der Mitte fahren. Die wenigen Boote die hier durchkommen können lediglich das Wachstum in der Mitte ein wenig durch ihre Schrauben begrenzen.
Die 10 Kilometer vor St. Dizier waren schwierig zu fahren. Die Pflanzen werden immer dichter und bremsen das Boot ab auf etwa 2 bis 3 Km/h. Etwa einmal alle 2 Stunden musste ich hier tauchen um die Schraube frei zu bekommen. Dazu benutze ich nun eine 2 Minuten Hau-Ruck Methode: Motor aus, warten bis das Boot steckenbleibt oder langsam driftet, mit Taucherbrille rausspringen, die Schraube klarmachen und wieder die Badeleiter rauf.
Schlimm war es in St. Dizier. Dort musste ich mitten im Dreckwasser des Kanals reinspringen. Noch schlimmer waren die 20 Kilometer nördlich von Joinville. Ich kam nur mit 2 km/h voran, musste den Tag über zwölf mal tauchen und einmal das Seeventil säubern. Etwa 500m lang musste ich alle 100m die Schraube von Pflanzen befreien. Das Wasser war örtlich nicht sauber, musste trotzdem tauchen denn der Motor schaffte nur eine niedrige Drehzahl und ich hatte keine Wahl. Im Wasser finden sich teilweise tote Fische und die VNF-Verwaltung warnt mit Schildern vor dem Baden wegen der Gefahr einer Leptospirose-Infektion durch infizierte Ratten. Erreger ist die Spirochäte Leptospira interrogans, ein gram-negatives Bakterium. Teilweise hatte ich zwischen den Pflanzen fast keine Sicht und musste mich in Dunkelheit wie in einem Wald orientieren. Einmal hatte ich sogar mit den Füssen Kontakt zum Boden, so flach wurde es. Unangenehm sind Wasserpflanzen, die kleine Dornen haben und beim Entfernen stechen. Andere Pflanzen, die ich noch nicht identifiziert habe, brennen wie Brennnesseln auf der Haut. Um das gestoppte Boot in die Mitte des Kanals zu bugsieren benutze ich manchmal einen Anker, den ich weit werfe und an dem ich das Boot manövieren kann. Oder ich versuche es mit einem Paddel oder schiebend beim schwimmen. Meist blieb das Boot aber einfach fest stecken und ich konnte dann tauchen.
Hier zwei Videos:
Die nächsten Tage sollen nach Bericht eines Entgegenkommers etwas besser werden. Werde aber wohl weiterhin jeden Tag tauchen müssen und den Filter im Augen haben.
Bilder aus St. Dizier:


Tatsächlich gab es lange Abschnitte ohne Probleme, und dann wieder 500m Abschnitte, auf denen ich fast nicht mehr voran kam.
Meine Freundin Kathy machte sich daher aus 120 Km Entfernung mit ihrem Motorboot auf den Weg um mir über einen großen Umweg von Süden her entgegen zu kommen und mich abzuschleppen, denn ich stand kurz davor umzukehren. Es stellte sich später heraus daß sie selbst dafür zwei Wochen brauchte. Die zurückgelegten Tagesentfernungen lagen jetzt bei nur noch 7 Km, die Fahrradfahrer an den Seiten des Kanals wollten es nicht glauben.